Alexander Schweitzer - Zur Sache - Nürburgring

Landespolitik

Veröffentlichung der Staatskanzlei vom 18. Juli 2012:

1. Das Ziel der Landesregierung war und ist es, die Situation am Ring neu zu ordnen. Sie tut dies im Wissen um die wichtige strukturpolitische Bedeutung des Nürburgrings für die Region, die Arbeitsplätze und die wirtschaftlichen wie touristischen Impulse, die vom Ring ausgehen.
Dabei sollen die Vorgaben der Kommission bei dieser Neuordnung umfänglich beachtet werden. Darüber ist das Land in Gesprächen mit der EU-Kommission.

2. Die Nürburgring GmbH hat am 7. Februar 2012 den Betriebspachtvertrag mit der Nürburgring Automotive GmbH wegen nicht vertragsgerecht geleisteter Pachtzahlungen gekündigt. Auch zwischenzeitlich sind die Pachtzahlungen zum größten Teil ausgeblieben.
Insbesondere dadurch ist die Nürburgring GmbH in Liquiditätsschwierigkeiten geraten.
3. Mit einer Rücklage in Höhe von 254 Millionen Euro hat das Land Vorsorge für den Fall getroffen, dass sich die Investitionen nicht durch private Mittel refinanzieren lassen.
4. Das Land hat erklärt, dass es beabsichtigt, im Rahmen eines europaweiten und damit zweifelsfreien EU-konformen Verfahrens die Betriebs- und Besitzgesellschaft neu zu strukturieren. Damit war die Erwartung verbunden, dass das beihilferechtliche
Hauptprüfverfahren nicht eröffnet wird, um die Restrukturierung zu erleichtern. Um die für den Neustrukturierungsprozess notwendige und im Haushalt vorgesehene Liquidität der Nürburgring GmbH zu sichern, hat sich das Land nach Eröffnung des Hauptprüfverfahrens
durch die EU-Kommission am 21.03.2012 entschieden, eine Rettungsbeihilfe zu beantragen.
5. Die EU-Kommission hatte zunächst eindeutige Zeichen erkennen lassen, dass sie die grundsätzlichen Fragen im Hauptsacheverfahren klären und den Antrag auf Rettungsbeihilfe positiv bescheiden wolle. Ende vergangener Woche hat sie jedoch darauf hingewiesen, dass
vor dem 30.07.2012 möglicherweise keine positive Entscheidung über den Antrag auf Rettungsbeihilfe ergehen werde. Damit ist dem Land die beabsichtigte Zufuhr von notwendigem Kapital in die Nürburgring GmbH nicht möglich. Der Gesellschaft droht daher der Eintritt der Insolvenz wegen Zahlungsunfähigkeit.
6. Zentraler Kritikpunkt des Landes an der sich abzeichnenden Nichtentscheidung der EUKommission im Juli 2012 ist die Unverhältnismäßigkeit. Die Landesregierung sieht darin einen
klaren Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (siehe Anlage).
7. Auch wenn das Verhalten der EU-Kommission für die Nürburgring GmbH und die Landesregierung nicht nachvollziehbar ist, wird sie sich darüber nicht hinwegsetzen. Die Landesregierung bedauert, dass die EU-Kommission sich gegenwärtig nicht inhaltlich mit den Argumenten der Landesregierung auseinandersetzen will. Auch die Bundesregierung hat sich in ihrem Schreiben vom 15.11.2011 dankenswerter Weise die Auffassung zu Eigen und ihren Einfluss geltend gemacht. Auf die Unverhältnismäßigkeit dieses Vorgehens wurde die EUKommission
auch auf politischer Ebene nachdrücklich hingewiesen. Die EU-Kommission
verhindert damit selbst eine rasche beihilfekonforme Umstrukturierung am Nürburgring.
8. Inzwischen ist mit der Nürburgring Automotive GmbH eine unterschriftsreife Einigung gefunden worden, dass Besitz und Betrieb zum 31.10.2012 an die Nürburgring GmbH zurückfallen. Streitige Fragen sollen in einem Schiedsverfahren geklärt werden. Dieser Schritt wäre für die Neustrukturierung von zentraler Bedeutung gewesen. Er kann ohne die
Zustimmung der EU-Kommission zu einer Rettungsbeihilfe nicht beschritten werden.
9. Wegen der Versagung der Entscheidung über eine Rettungsbeihilfe und um den Weg einer Neustrukturierung dennoch konsequent und zügig fortsetzen zu können, hat die Landesregierung in ihrer heutigen Sitzung den Vertreter des Landes in der Gesellschafterversammlung gebeten, darauf hinzuwirken, dass die Nürburgring GmbH von sich aus ein Verfahren wegen drohender Zahlungsunfähigkeit einleitet. Dabei soll geprüft
werden, ob ein Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung gestellt wird.
10. Das Land wird sich weiterhin für die strukturpolitische Bedeutung des Nürburgrings und die Arbeitsplätze vor Ort einsetzen.

Anlage
Unverhältnismäßigkeit des Unterlassens der Europäischen Kommission die
Rettungsbeihilfe zugunsten der Nürburgring GmbH vor Ende Juli zu genehmigen
In Gesprächen mit der Europäischen Kommission haben die Bundes- und Landesregierung Ende letzter Woche Hinweise erhalten, dass die Kommission über den Antrag der Bundesregierung auf die Genehmigung von Rettungsbeihilfen für die Nürburgring GmbH nicht mehr im Juli diesen Jahres entscheiden wird. Stattdessen beabsichtigt die Kommission ein
vertieftes Prüfungsverfahren (sogenanntes Hauptprüfverfahren) zu diesen
Rettungsmaßnahmen zu eröffnen. Die Rettungsbeihilfe hatte dazu dienen sollen, die Liquidität der Nürburgring GmbH vorläufig und für einen begrenzten Zeitraum (sechs Monate) zu sichern. Das Ausbleiben der Genehmigung vor Ende Juli 2012 wird, wie der Kommission bekannt ist, zur Insolvenz der Nürburgring GmbH und ihrer Tochtergesellschaften führen.
Von der Kommission wird die Absicht, die Genehmigung gegenwärtig nicht zu erteilen, damit begründet, dass der Genehmigung der Grundsatz der Einmaligkeit von Rettungsbeihilfen entgegenstünde. Ob aber bereits in der Vergangenheit Rettungsbeihilfen zugunsten der Nürburgring GmbH gegeben wurden, wird von der Kommission noch im Rahmen eines seit
März diesen Jahres laufenden Hauptprüfverfahren untersucht. Sowohl der Bund als auch das Land haben mehrmals gegenüber der Kommission umfangreich vorgetragen, daß sie der Auffassung sind, daß der Nürburgring GmbH in der Vergangenheit keine Rettungsbeihilfen
zugekommen sind und dementsprechend Bund und Land der Meinung sind, dass der Grundsatz der Einmaligkeit hier der Genehmigung der im Juni 2012 angemeldeten Rettungsbeihilfe nicht entgegensteht. Vor diesem Hintergrund ist die Landesregierung der Ansicht, dass im konkreten Fall das Unterlassen der Kommission, die Rettungsbeihilfe zugunsten der Nürburgring GmbH zu einem Zeitpunkt zu genehmigen, zu dem die Insolvenz noch vermieden werden könnte, mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit, der Vorläufigkeit des Hauptprüfverfahrens und des besonderen Charakters der Rettungsbeihilfe nicht vereinbar ist. Das rechtlich und wettbewerbspolitisch sehr bedenkliche Vorgehen der
Kommission führt dazu, dass die angemeldeten geplanten Maßnahmen des Landes, welche dazu dienen sollten, den Nürburgring-Komplex außerhalb eines Insolvenzverfahrens in enger Abstimmung mit der Kommission in die Zukunft zu führen, aufgrund einer beihilferechtlichen Untersuchung vergangener Maßnahmen, welche noch nicht abgeschlossen ist, nicht durchgeführt werden können.
Diese Verschränkung der Genehmigung der Rettungsbeihilfe mit dem laufenden Hauptprüfverfahren läuft dem Schutzzweck des Instruments der Rettungsbeihilfe, nämlich sozial- und regionalpolitischen Gründen, grundsätzlich entgegen. Eine Rettungsbeihilfe soll gerade dazu dienen eine sonst drohende Insolvenz zu vermeiden, um den Gesellschaftern
sechs Monate Zeit zu verschaffen, einen Umstrukturierungsplan zu erstellen. Aus Sicht der Gesellschafter der Nürburgring-Eigentumsgesellschaften ist dies nicht nur wirtschaftlich
zweckmäßig, sondern wird der sozialen Verantwortung gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern, den vom Nürburgring abhängigen Betrieben und deren Arbeitnehmern und der Menschen in der strukturschwachen Eifelregion gerecht. Durch die Verweigerung der Genehmigung werden durch die Kommission Fakten geschaffen, die nicht mehr rückgängig
gemacht werden können. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erscheint es sehr problematisch, in einem (Eil-)Verfahren, das eine vorläufige Rettungsmaßnahme ermöglichen soll, auf diese Weise dem Ergebnis des förmlichen Prüfverfahrens faktisch vorzugreifen. Es
werden so Fakten geschaffen, bevor die umfassende Ermittlung und Würdigung des zugrundeliegenden Sachverhalts abgeschlossen ist. Stellt sich später heraus, dass, wie vom Bund und Land vorgetragen, in der Vergangenheit keine Rettungsbeihilfen an die Nürburgring GmbH gegeben worden waren, hätte eine spätere Rettungsbeihilfen jeden Sinn verloren, weil das Ziel der Insolvenzvermeidung dann gerade nicht mehr erreicht werden könnte. Die deutschen Behörden haben sich bemüht mit der Kommission eine Verständigung zu finden, welche den Bedenken der Kommission genüge getan hätte. Darauf ist die Kommission aber
nicht eingegangen. In Anbetracht der dargestellten erheblichen rechtlichen Bedenken gegen die Eröffnung des Hauptprüfverfahrens zu den Rettungsbeihilfen wird das Land prüfen, vor den EU-Gerichten Rechtsmittel einzulegen. Ein solches Rechtsmittel würde jedoch nicht zu
einer Genehmigung der Rettungsbeihilfe und damit der Abwendung der Insolvenz der Nürburgring GmbH führen können.

 
 

 

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